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Dewey mietete sich im Skyview
Hotel ein. Es sollte sich dies als praktisch herausstellen,
denn auf den unteren Stockwerken des Gebäudes waren Büros
einquartiert, und ganz oben gab es ein Lokal mit regelmäßigen
Tanzveranstaltungen für die bessere einheimische Jugend;
so herrschte ein weitgehend unkontrolliertes Aus und Ein,
und es brauchte sich niemand etwas Schlimmes dabei denken,
wenn 14- oder 15jährige Mädchen durchs Foyer spazierten.
Cal Dewey hatte einigen Nachholbedarf
zu decken, und so traf es sich gut, daß er schon am
ersten Abend Lucy kennenlernte. Er begegnete ihr vor einer
Bar, die Sahara hieß und wirklich ein wüster
Laden war.
Lucy war Mitte Dreißig
und von beachtlicher Körperfülle, und sie verdiente
ihren Lebensunterhalt als Handelsvertreterin. Die Ware waren
Mädchen. Es war unausbleiblich, daß sie Dewey zunächst
zu ein paar Adressen mit alten Nutten führte. Wie jeder
Geschäftsmann, so versuchte auch sie, als erstes ihren
Kunden alte Bestände anzudrehen.
Sie kamen zu einem Schuppen,
der eingezwängt war zwischen Behausungen armer Leute.
Davor saßen, auf einer Sitzbank unter einer blendenden
Glühbirne, zwei alte Mädchen, die längst reif
dafür waren, ausrangiert zu werden. Lucy hatte ihm gerade
ein Angebot gemacht, 100 Peso für die ganze Nacht, als
ein Betrunkener aus dem Schuppen torkelte, der sich die Hose
zuknüpfte.
"Hier kostet es nur 20
Peso," sagte er zu Dewey, und dann lehnte er sich gegen
eine Wand, weil er freistehend mit seinem Hosenladen nicht
zurecht kam. Das Weib kam heraus, das ihn nur 20 Peso gekostet
hatte, eine fette Nudel. Sie verschwand um eine Ecke, und
dann hörte man, wie sie aus einer Tonne Wasser schöpfte
und ihr Arbeitsgerät säuberte. Lucy sah ein, daß
sie nach dieser Szene hier nichts mehr verkaufen konnte.
Tatsächlich hatte sie auch
viel bessere Ware. Sie brachte ihn also in Häuser, wo
unter altgedienten Schinken auch das eine oder andere junge
Mädchen gehalten wurde, das frisch aus der Provinz in
die Stadt geschickt worden war. Das Alter derer, die Dewey
sich aussuchte, pendelte sich zwischen 15 und 17 ein, und
normalerweise mußte Lucy die jungen Dinger bei ihm im
Hotelzimmer vorbeibringen; denn einerseits wollte Dewey nicht
selbst mit ihnen die Rezeption passieren, und andererseits
waren die Mädchen so ahnungslos, daß sie sich allein
im Hotel auf keinen Fall zurecht gefunden hätten.
Lucy wurde für ihre Hilfsbereitschaft
von Dewey nicht schlecht honoriert. Es ergab sich, daß
er stets 150 Peso pro Stück bezahlte, und davon kassierte
Lucy ein Drittel. Für das Mädchen, das die Hauptarbeit
zu leisten hatte, blieben wohl nur 20 oder 30 Peso übrig,
denn der jeweilige Verwalter dieser Personen wollte ja fairerweise
auch etwas verdienen.
Dewey kümmerte sich um
diesen Sachverhalt nicht. Er konnte weder Lucy als Vermittlerin,
noch die Verwalter umgehen, und so gab es für ihn keine
Möglichkeit, sein Vergnügen so billig einzukaufen,
wie das junge Mädchen es hergab.
Dewey interessierte sich nicht
sonderlich für die Lebensumstände dieser Mädchen.
Es ging ihm nur um die Körper, auf die er sich für
ein paar Stunden ein Anrecht verschaffte. Die Mädchen
waren wohl strohdumm, Analphabeten sicherlich, und manche
vielleicht auch im klinischen Sinn etwas schwachsinnig, aber
sie hatten Brüste, die noch nicht abgegriffen, und Schlitze
im Unterleib, die noch nicht ausgeleiert waren, und bei der
einen oder anderen bewunderte er auch einmal einen netten
Schamhöcker oder einen gut geformten Kitzler.
Das alles wuchs ja von ganz
allein, und das brauchte keine Bildung wie der Verstand -
so großzügig hat Mutter Natur die Menschheit bedacht.
Dewey sah diese kleinen Wesen
als die Vorboten eines neuen Zeitalters. Denn in einer Welt,
die munter auf eine Bevölkerungszahl von 15, 20, 30 Milliarden
zumarschiert, würden bald in etlichen Ländern die
sozialen Systeme zusammenbrechen. Dann ist es vorbei mit allgemeiner
Schulpflicht und staatlicher Gesundheitsfürsorge, dann
wird in vielen Ländern Hunger und Armut wieder die Regel
sein, und wen wird es da schon kümmern, ob ein paar junge
Mädchen mehr oder weniger in die Prostitution getrieben
werden.
Man wird es mit ganz anderen
Problemen zu tun haben, und in der Vorstellung der Leute wird
Kriminalität erst bei bewaffnetem Überfall und Mord
beginnen.
Was er mit seinen kleinen Mädchen
trieb, hatte mit Liebe nichts gemein. Es war eine Aneignung
von Körpern. Es betraf nur ihn, und was die Mädchen
empfanden, war ihm gleichgültig. Der body count
wurde ihm zur Meßlatte des Lebens, und es war ein herrlich
einfacher Lebenssinn. Wieviele Körper er sich im Leben
sexuell aneignen würde, schien ihm das einzige, was zählte.
Dabei wog die Aneignung eines
neuen Körpers schwerer als die Wiederholung einer Aneignung
eines Körpers, den er schon besessen hatte. Ein bekannter
Körper ließ sich nicht beständig neu aneignen.
Irgendwann, nach drei oder nach sieben oder nach zwanzig Aggressionen,
war er ein ganz erobertes Territorium.
Diese Körper, die er gewonnen
hatte, schienen ihm das einzige, was er nie verlieren konnte.
Selbst wenn er eingekerkert werden würde, wenn ihm sein
ganzer Besitz gestohlen werden würde, auch wenn er sterben
würde - die Körper, die er sich einverleibt hatte,
konnten ihm nicht mehr genommen werden. Es war eine so herrlich
praktische Weltanschauung, und sie erleichterte ihm das Geschäft.
Er rechnete nach, und er kam
darauf, daß er es schon auf weit über tausend Aneignungen
gebracht hatte. Dieser Gedanke gab ihm ein gewisses Gefühl
von Größe.
Wie arm waren doch die Kreaturen,
die es im Leben auf keine hundert Einverleibungen brachten.
Die sich mit weniger als zehn begnügen mußten.
Was hatten die im Leben erreicht? Nichts, nichts. Er selbst
würde auf über zehntausend kommen, wenn kein unvorhergesehenes
Ereignis ihn unterbricht. Bei einer angenommenen Lebensdauer
von 65 und einer angenommenen aktiven Phase von 50 Jahren
würde das über 200 Körper pro Jahr, oder mindestens
4 pro Woche bedeuten.
Wer auf über zehntausend
kam, durfte sich als Mitglied einer Elite des Lebens fühlen.
Soweit war Dewey noch nicht. Aber zu den besseren Kreisen,
zu denen, die deutlich aus dem Durchschnitt hervorragten,
zu diesen durfte er sich schon zählen.
Die Frage nach dem richtigen
Leben war damit also endlich beantwortet: richtiges Leben
war das, was diese Liste bereicherte. Es war eine praktische
Weltsicht, genau das richtige Instrument für seine Lebensführung.
Sie verband so schön das, was als das richtige Leben
erkannt worden war, mit dem, wonach ihm die Laune stand. So
herrschte denn nun Übereinstimmung zwischen dem, was
man soll, und dem, was man tut (und was man auch täte,
wenn man es nicht sollte).
Dewey bereicherte seine Liste
mit Neuerwerbungen. Nur eines der Mädchen war es wert,
mehrmals angeeignet zu werden. Sie hieß Daisy und war
von zwerghaftem Wuchs. Sie war klein wie ein Kind, aber ihre
Beine waren Stampferchen, und sie hatte einen kurzen Hals.
Was Dewey mit ihr tat, war ihr
neu, denn sie war erst vor kurzem vom Land in die Stadt gekommen.
Zwar war sie keine Jungfrau mehr, aber der sexuelle Verkehr
war ihr noch längst nicht Gewohnheit. Dewey war jedenfalls
ihr erster Ausländer.
Von geschlechtlichem Verlangen
hatte sie so gut wie keine Kenntnis. Sie wußte nur wage,
wozu die einzelnen Organe dienten, und hatte deshalb nicht
die Voraussetzung, um der einen oder anderen Praktik zu widersprechen.
Ihr Lustempfinden konnte nicht die Aufgabe eines Maßstabes
für die einzelnen Praktiken erfüllen, denn sie empfand
bei keiner Praktik Lust.
Dewey fand es anregend, daß
sie während des Verkehrs leise und ehrlich schluchzte,
dabei aber nicht die geringsten Anstalten machte, sich gegen
das Geschehende zu wehren. Sie ertrug es als ein selbstverständliches
Leid.
Dann, wenn Dewey seinen Akt
beendet hatte und sie nebeneinander auf dem Bett lagen, schmiegte
sie sich an ihn und war dankbar, daß es vorüber
war. Dies dauerte, bis Dewey neuen Willen spürte, ihr
bißchen Glück zu unterbrechen. Mit ernster Miene
legte er sie sich zurecht, und sie verharrte in ihrer Lage,
wenn sich sein Glied in ihren Darm bohrte. Ihr Körper
verkrampfte sich nicht, aber sie weinte leise und ehrlich
vor sich hin.
Lucy's Mädchen
Cebu war eine Stadt von einer
halben Million Einwohnern, und im Gegensatz zu Metro Manila
kam es mit einem einzigen Stadtzentrum aus. Es war dies im
wesentlichen die Colon Street, die gesäumt war von großen
Kaufhäusern imd Kinos, und auch die meisten Banken, die
Stadtverwaltung, die älteste Kirche und die meisten Hotels
lagen, wenn nicht in der Colon Street selbst, so doch nur
ein paar Seitenstraßen weg. Die Entfernungen waren alle
leicht zu Fuß zurückzulegen, ja, es waren Fußgänger
oft sogar schneller als Fahrzeuge, denn sie mußten sich
nicht nach Ampeln und Einbahn-Regelungen richten.