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Es war 6:30 Uhr morgens, als
im Zimmer von Georg Mandel zum ersten Mal das Telefon klingelte.
Es war eine Uhrzeit, um die er noch tief schlief. Es mochte
das dritte oder vierte Klingeln gewesen sein, das ihn aufschreckte,
und dann tastete er nach dem Telefonhörer auf dem Tischchen
neben dem Bett, und ohne den Kopf aus den Kissen zu nehmen,
brummte er "Ja bitte."
"Von außerhalb,"
sagte das Fräulein von der Hotelrezeption.
Es klickte in der Leitung, und
dann sagte Georg Mandel noch einmal: "Ja bitte."
"Ist da Zimmer 407,"
fragte eine Frauenstimme.
"Ja, warum?" fragte
Mandel.
"Guten Morgen."
"Ja, guten Morgen."
"Ich rufe wegen der Zeitungsanzeige
an."
"Ach so, die Zeitungsanzeige."
"Rufe ich zu früh
an?"
"Ja, nein, macht nichts."
"Ich kann auch später
noch einmal anrufen." Aber jetzt war Mandel eh wach und
würde nicht wieder einachlafen.
"Bleiben Sie ruhig dran,"
sagte er.
"Ich rufe wegen der Zeitungsanzeige
an," sagte die Frauenstimme.
"Das ist sehr nett,"
sagte Mandel. Jetzt würde er wohl ein Gespräch anfangen
müssen, dachte er. Er sagte: "Sind Sie aus Manila?"
"Ich wohne seit drei Jahren
hier, aber meine Provinz ist Bohol."
"Bohol, ach ja"
"Kennen Sie Bohol?"
"Nein, ich war noch nie
dort."
"Sie müssen Bohol
besuchen. Es gibt dort die Schokoladenhügel."
"Na ja," sagte Mandel,
"vielleicht fahre ich mal mit Ihnen hin."
"Ja das wäre nett,"
sagte die Frauenstimme.
"Aber zuerst müssen
wir uns kennenlernen."
"Ach ja, gerne."
"Wie heißen Sie eigentlich?"
"Arlene Morales."
"Sind Sie auch so moralisch?
"
"Ja, natürlich,"
sagte Arlene.
"Wo können wir uns
denn treffen?"
"Ich weiß nicht."
"Ich würde sagen,
heute abend im Diamond Restaurant in Ermita."
"Leider habe ich einen
Kurs heute abend. Aber ich glaube, ich kann abwesend sein."
"Einen Kurs? In was denn?
Ach, wir können uns auch morgen abend treffen. Ich will
nicht, daß Sie wegen mir Ihren Kurs verpassen."
"Ich lerne programmieren.
Aber einmal kann ich schon abwesend sein."
"Treffen wir uns doch morgen
abend. Sonst denken Sie noch, ich sei rücksichtslos."
"Nein, denke ich nicht;
aber morgen abend wäre schon günstiger."
"Gut, morgen abend im Diamond."
"Wo ist denn das Diamond?"
"In Ermita, kennen Sie
sich aus in Ermita?"
"Nein, leider nicht,"
sagte Arlene.
Wenigstens hat sie noch nichts
mit Touristen zu tun gehabt, dachte Mandel.
"Sie nehmen einen Jeepney
Richtung Baclaran, ja, und wenn Sie an der Luneta
vorbeigefahren sind, ja, dann kommen Sie in eine schmale
Straße, das ist die Del Pllar Street. Dort ist es gleich
am Anfang auf der linken Seite, haben Sie verstanden, ja?
"
"Ja, und um welche Zeit?"
"Sagen wir um sieben Uhr."
"Ja, gerne."
"Ich sitze gleich am Eingang."
"Ja, gut."
"Ja, dann sehen wir uns
morgen abend."
"Ja," sagte Arlene.
"Ich freue mich schon darauf,"
sagte Mandel.
"Ja, ich auch"
"Bis dann."
Mandel hängte ein.
"Das war's für's erste,"
dachte er. "Wie sie wohl aussieht?"
Er hätte sie fragen können,
aber er wollte ja nicht gleich unhöflich sein; es war
ja keine Prostituierte, das war etwas Besseres, und sie sollte
einen guten Eindruck von ihm haben.
"Ob ich wohl einen guten
Eindruck gemacht habe?" fragte er sich. Er war nicht
unzufrieden.
Mandel wollte gerade aufstehen
und sich ins Bad begeben, als das Telefon wieder klingelte.
"Ja bitte," sagte
er.
"Von außerhalb,"
sagte das Fräulein von der Rezeption.
Dann klickte es in der Leitung,
und Mandel sagte noch einmal: "Ja bitte."
"Sind Sie der Ingenieur
aus der Schweiz?" fragte eine neue Frauenstimme.
"Ja," sagte Mandel,
"und wer sind Sie?"
"Mein Name ist Lorna Sing,
ich bin 22 Jahre alt und Verkäuferin bei Gaysano."
"Wie schön, dann weiß
ich ja schon alles über Sie."
"Ja, nein, noch nicht alles."
"Aber wenn wir uns treffen,
werde ich noch vieles erfahren."
"Ja, aber ich bringe meine
Freundin mit."
"Ja, das können Sie
ruhig. Ich würde sagen, wir treffen uns im Diamond-Restaurant
heute abend um sieben Uhr."
"Leider weiß ich
nicht, wo das ist."
Das Gespräch wurde Mandel
zu lang. Er hatte einen Druck auf der Blase, und er wollte
das WC aufsuchen.
"Das finden Sie schon,"
sagte er, "das ist in Ermita, gleich am Anfang der Del
Pilar Street. Das finden Sie schon."
"Ich hoffe es," sagte
Lorna.
"Heute abend um sieben
dann," sagte Mandel.
"Ja," sagte Lorna,
und Mandel legte auf.
Mandel war gerade aufgestanden
und wollte sich zum WC begeben, als es erneut klingelte.
Mandel nahm ab und sagte: "Ja
bitte."
Es klickte nur und dann war
Pause.
"Ja, bitte." sagte
Mandel.
Spreche ich mit dem 52jährigen
Ingenieur," fragte eine Frauenstimme.
"Ja, Mandel ist mein Name.
Sie rufen wegen der Zeitungsanzeige an, ja?"
"Ja."
"Wir können uns erst
übermorgen am Abend kennenlernen, oder heute nachmittag.
Für heute und morgen abend habe ich schon Vereinbarungen,"
sagte Mandel.
"Geht es nicht heute abend?"
fragte die Frauenstimme. "Ich arbeite im Büro,"
sagte sie, "und ich habe nachmittags nicht frei."
"Dann erst übermorgen."
"Ja, vielleicht kann ich
eine Ausrede finden für heute nachmittag. Wenn Sie es
ernst meinen."
"Natürlich meine ich
es ernst," sagte Mandel, und er stand neben dem Bett,
und er hatte einen Druck auf der Blase.
"Also heute nachmittag,"
sagte Mandel, "treffen wir uns im Diamond-Restaurant
in der Del Pilar Street. Ich sitze gleich neben der Tür.
Die Telefonistin von der Hotelrezeption
unterbrach das Gespräch: "Ein weiterer Anruf für
Sie, Herr Mandel."
"Einen Moment, bitte,"
sagte Mandel. Das galt der Telefonistin.
Seine Gesprächspartnerin
von außerhalb sagte: "Ich weiß leider nicht,
wo das Diamond ist."
Mandel sagte: "Am besten
nehmen Sie ein Taxi, die Taxifahrer kennen das Restaurant."
"Ja," sagte die Frauenstimme,
"und um wieviel Uhr?"
"Sagen wir um zwei, ja."
"Ja," sagte die Frauenstimme.
"Das war’s dann,"
sagte Mandel.
"Ja."
"Auf Wiedersehen dann."
Mandel hängte ein, nahm den Hörer aber gleich wieder
ab. Er sagte: "Das andere Gespräch."
"Hallo, hallo?" fragte
eine neue Frauenstimme.
"Rufen Sie bitte später
wieder an," sagte Mandel.
"Warum rufen Sie überhaupt
schon so früh hier an, es ist noch nicht einmal acht
Uhr morgens." Dann hängte Mandel ein und ging ins
Bad.
Er war mit dem Urinieren noch
nicht fertig, da klingelte das Telefon schon wieder. Es klingelte
zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Mal. Mandel beeilte
sich keineswegs mit seinem Rückweg.
"Ja, ja," murmelte
er vor sich hin, und dann nahm er den Hörer ab und sagte
zunächst gar nichts. Es klickte in der Leitung, und Mandel
medete sich: "Ja, bitte."
"Ist da der Schweizer Ingenieur,
der heiraten möchte?"
"Ja."
"Ich heiße Maritess."
"Ja, wir können uns
am Samstagabend treffen, oder morgen nachmittag," sagte
Mandel. "Im Diamond-Restaurant."
"Ach so," sagte die
Frauenstimme.
"Verflucht" dachte
Mandel, der in Unterhosen neben dem Telefon stand. "Das
wird viel zu teuer, wenn ich die alle zum Essen einladen soll."
Er sagte: "Oder kommen
Sie heute nachmittag hier im Hotel vorbei, sagen wir: um vier
Uhr."
"Ins Hotel?"
"Ja - ich werde Sie schon
nicht belästigen, da brauchen Sie keine Angst zu haben.
Ich habe ernste Absichten."
"Ja, aber ich war noch
nie in einem Hotel."
"Das macht nichts. Sie
können ja Ihre Schwester oder eine Freundin mitbringen."
"Welches Hotel ist es denn?"
"Das San Carlos.
Kennen Sie das?"
"Nein."
"In der Mabini Street.
Die kennen Sie?"
"Ja."
"Neben der Cocobank.
Gleich am Anfang der Mabini Street, wenn Sie vom Rizal-Park
kommen."
"Ich weiß gar nicht,
wie Sie heißen," sagte Maritess.
"Ach so, ja, mein Name
ist Mandel. Georg Mandel, vierter Stock, Zimmer 407."
Die Telefonistin mischte sich
wieder ein: "Ein weiteres Gespräch für Sie,
Herr Mandel."
Mandel sagte: "Ja, Moment.
- Maritess, haben Sie meinen Namen verstanden?"
"Nein," sagte Maritess.
"Mandel," sagte Mandel.
"Ja."
"Also, wir sehen uns um
vier Uhr nachmittags."
"Ja. Ich bringe meine Schwester
mit."
"Ja."
Mandel legte auf. Es klingelte
sofort wieder.
"Das andere Gespäch,"
sagte die Telefonistin.
Es klickte in der Leitung.
"Ja, bitte," sagte
Mandel.
"Ich rufe wegen der Zeitungsanzeige
an, sagte eine Frauenstimme.
"Ja, schön,"
sagte Mandel, "wir können uns kennenlernen, wenn
Sie wollen."
"Ja, gern," sagte
die Frauenstimme.
"Am besten kommen Sie heute
vormittag vorbei, sagen wir um elf Uhr."
"Ich bin im Büro,
ich weiß nicht, ob ich weg kann."
"Ja, das müssen Sie
wissen. Es rufen hier so viele Mädchen an, da mußt
du selbst wissen, ob du Interesse hast."
"Ja, hab ich schon, aber...."
"San Carlos, Zimmer 407."
"Ja, aber wir kennen uns
doch noch gar nicht."
"Wir werden uns schon kennenlernen."
"Ich bringe vielleicht
eine Kollegin mit."
"Ja, wenn Sie das wollen,
das heißt...."
"Ja bitte."
"Es wäre besser, wenn
Sie allein kämen."
"Vielleicht bin ich doch
nicht das, was Sie suchen."
"Das kann schon sein, auf
Wiederhören."
Mandel hängte ein. Dann
nahm er den Hörer gleich wieder ab. Es war jetzt Viertel
nach acht. Die Telefonistin meldete sich.
"Sie haben heute morgen
viel Arbeit mit mir," sagte Mandel.
"Das kann man wohl sagen,"
sagte die Telefonistin.
"Können Sie mir einen
Gefallen tun?" fragte Mandel.
"Das hängt davon ab,
um was es sich handelt."
"Ich verspreche Ihnen zwanzig
Peso Trinkgeld. Sie bekommen sie, sobald ich herunterkomme."
"Das ist nett."
"Lassen Sie mir bitte aus
dem Restaurant ein Frühstück hoch bringen, ohne
Eier, continental."
"Ja."
"Und vermitteln Sie bitte
bis dreiviertel neun keine Gespräche hoch. Sagen Sie,
ich sei kurz außer Haus, und die Damen sollen später
anrufen."
"Soll ich die Namen notieren?"
"Welche Namen?"
"Von den Anruferinnen."
"Ach so, nein, das ist
nicht nötig."
"Ja, gut."
"Vielen Dank auch"
Mandel hängte ein. Er ging
ins Bad zum Rasieren und Zähneputzen. Dann klopfte es,
und Mandel rief herein. Es war der Etagenjunge mit dem Frühstück.
Es war mit Eiern.
Der Etagenjunge stellte das
Früstück neben dem Telefon ab. Mandel hatte nur
Unterhosen an. Dem Etagenjungen machte das nichts. Der wartete
trotzdem auf seinen Peso Trinkgeld.
Mandel zog sich ein Hemd und
Shorts an und begann mit dem Frühstück.
Pünktlich um dreiviertel
neun klingelte wieder das Telefon.
"Es ist dreiviertel neun,"
sagte die Telefonistin. "Sie sagten, um dreiviertel neun
seien Sie wieder zu sprechen. Ihre Anruferinnen blockieren
unsere Leitung."
"Ja danke," sagte
Mandel mit vollem Mund, und dann schluckte er. "Ich werde
es kurz machen."
Es klickte in der Leitung. "Sie
rufen wegen der Zeitungsanzeige an?" fragte Mandel.
"Ja," sagte eine Frauenstimme.
"Das ist gut. Sie verstehen
daß wir uns vor allem Weiteren persönlich kennenlernen
müssen?"
"Ja, natürlich."
"Am besten wird es sein,
Sie kommen hier im Hotel vorbei."
"Können wir uns nicht
woanders treffen, in einem Lokal vielleicht?"
"Nein, das wäre nicht
günstig. Sie verstehen. Wir kennen uns ja nicht, und
wie sollen wir uns in einem Lokal gegenseitig erkennen, wenn
wir uns noch nie gesehen haben."
"Ja, das stimmt."
"Sehen Sie. Darum ist es
am besten, Sie kommen hier vorbei."
"Ja, das mag sein."
"Kommen Sie, sobald Sie
Zeit haben. Am besten heute vormittag."
"Heute vormittag?"
"Ja, wissen Sie, es melden
sich viele Mädchen auf die Anzeige. Aber sobald ich eine
getroffen habe, die meinen Vorstellungen entspricht, gehe
ich keine Verabredungen mehr ein."
"Ach so."
"Ja. Drum ist es natürlich
am besten, Sie kommen so bald als möglich. Ihre Chancen
sind dann größer."
"Ja, das sehe ich ein."
"Kommen Sie ins San
Carlos Hotel, Zimmer 407. Georg ist mein Name."
"San Carlos Hotel?"
"In Ermita. Am besten
nehmen Sie ein Taxi."
"Ja."
"Bis später dann,"
sagte Mandel und hängte ein.
Das Telefon klingelte gleich
wieder.
"Sie rufen wegen der Zeitungsanzeige
an?" fragte Mandel. "Am besten kommen Sie heute
vormittag oder heute nachmittag hier ins Hotel. Dann können
wir alles weitere besprechen."
"Hallo?" fragte die
Frauenstimme.
"Bringen Sie keine Freundin
mit. Die stört nur."
"Ist dort Herr Mandel?"
fragte die Frauenstimme.
"Ja, natürlich. Halt,
mit wem spreche ich bitte? Woher wissen Sie meinen Namen?"
"Hier ist die Philippine
Airlines. Sie haben Ihren Flug für übermorgen
nicht rückbestätigt."
"Ach so. Ja, den Termin
können Sie streichen. Ich fliege später."
"Wissen Sie schon, wann?"
"Nein. Aber ich werde mich
rechtzeitig wieder melden."
Mandel legte auf. Er fand Zeit
für ein paar Bissen seines Frühstücks. Dann
läutete es wieder. Mandel nahm ab und wartete bis es
geklickt hatte.
"Sie rufen wegen der Zeitungsanzeige
an?"
"Ja," sagte eine Frauenstimme.
"Kommen Sie bitte heute
im Laufe des Tages im San Carlos Hotel, Zimmer 407
vorbei. Herr Mandel, um den es in der Anzeige geht, hat mich
beauftragt, ernsthafte Interessentinnen zu einem persönlichen
Gespräch einzuladen. Sie sind doch ernsthaft interessiert?"
"Ja, natürlich."
"Dann kommen Sie bitte
ohne Begleitung. Ihr Alter ist nicht über 25?"
"Nein."
"Gut, dann kommen Sie vorbei."
Mandel legte auf.
Es war 12.30 Uhr, als es an
der Zimmertür klopfte. Georg Mandel sagte laut "Herein",
aber die Tür wurde nicht geöffnet. Statt dessen
klopfte es noch einmal.
Mandel ging und machte die Tür
auf. Es waren zwei Mädchen, beide in College-Uniformen.
"Kommt herein," sagte
Mandel.
Sie kamen nur drei Schritte
herein und blieben stehen. Mandel machte die Tür wieder
zu.
"Ich habe heute vormittag
angerufen," sagte die Hübschere.
"Nehmt doch Platz,"
sagte Mandel.
"Sind Sie der Ingenieur,"
fragte die Hübschere.
"Ja," sagte Mandel.
"Setzt euch hin," und er deutete auf die beiden
Stühle am Tisch. Die beiden nahmen Platz.
"Es freut mich, daß
du gekommen bist," sagte Mandel.
Er setzte sich auf den Bettrand.
"Wie war noch dein Name?"
"Susan."
"Susan," sagte Mandel.
"Und Sie?"
"Ach, das weißt du
noch nicht?"
"Nein."
"Entschuldige," sagte
Mandel, "Mandel heiße ich, Georg Mandel."
Das Telefon klingelte. Mandel
wartete, bis es geklickt hatte.
"Ja, bitte," sagte
er.
"Ich rufe wegen der Zeitungsanzeige
an," sagte eine Frauenstimme.
"Sprechen Sie bitte persönlich
vor, San Carlos Hotel, Ermita, Zimmer 407."
" Ja, aber..."
"Kommen Sie morgen im Laufe
des Tages, wenn Sie es ernst meinen."
"Ja, aber..."
"Leider habe ich für
ein langes Telefongespräch keine Zeit; es würde
mich freuen, Sie morgen kennenzulernen." Mandel legte
auf.
"Es rufen viele Mädchen
an?" fragte Susan.
"Ja, du mußt entschuldigen,"
sagte Mandel.
"Es wollen eben viele einen
Europäer heiraten," sagte sie.
"Ja," sagte Mandel,
und jetzt kamen sie aufs Thema. "Und wie ist es mit dir,
du auch?"
"Ach, wenn er nett ist
- natürlich."
"Und wenn er schon 50 ist?"
"Na ja," sagte sie,
"ältere Männer haben den Vorteil, daß
sie treuer sind."
Mandel stand auf und er stellte
die Klimaanlage auf kühler. Aber es war nur ein Vorwand.
Als er zurück zum Bett ging; faßte er Susan an
der Schulter und sagte: "Und du meinst, wir würden
zusammenpassen?"
"Na ja, warum nicht,"
sagte Susan.
Sollte das nun seine Ehefrau
werden, der er treu bleiben würde, fragte sich Mandel.
Trotz ihres Flirts fühlte er sich ihr keineswegs nahe.
Sie sah vorteilhaft aus, hauptsächlich
im Vergleich zu ihrer Freundin, die auf dem zweiten Stuhl
saß und noch keinen Ton geredet hatte.
"Und du glaubst, du könntest
in Europa leben?"
"Ja, natürlich, warum
nicht?" sagte Susan.
"Ich finde dich schon ganz
nett."
"Ja? Danke."
"Da brauchst du dich nicht
zu bedanken. Das ist die Wahrheit."
"Na ja, Sie sind auch nett,"
sagte Susan.
"Ich bin aber schon 52."
"Sie machen aber einen
viel jüngeren Eindruck."
"Ja, meinst du?"
"Ja, wie 35 vielleicht."
"Na, na, warum denn nicht
gleich wie 15?" sagte Mandel.
Das fand Susan lustig, weil
sie es lustig finden wollte. Wenn es lustig war, gab es einen
Grund zum Lachen und zur Freundlichkeit.
"Wir verstehen uns ja anscheinend
ganz gut," sagte Mandel.
"Sie haben einen guten
Humor," sagte Susan.
"Du aber auch," sagte
Mandel.
Das war wieder ein Anlaß
zum Lachen.
Mandel sagte daraufhin: "Ich
sage jetzt etwas, das ist aber kein Witz: warum setzt du dich
nicht hierher zu mir?" Er klopfte dabei mit der Handfläche
neben sich aufs Bett.
"Aufs Bett?" fragte
Susan.
"Na ja, setz dich her."
Die Freundin, Susans Wachhund, schüttelte energisch den
Kopf.
"Wir kennen uns doch erst
eine halbe Stunde."
"Das hat doch damit nichts
zu tun," sagte Mandel.
"Außerdem müssen
wir zurück ins College." Der Wachhund nickte kräftig.
"Es ist schon nach 1 Uhr," sagte Susan.
Während sie dies sagte,
stand sie auch schon auf. "Wir können dich ja morgen
wieder in der Mittagspause besuchen," sagte Susan.
"Aber die bring bitte nicht
mit," sagte Mandel, und er deutete mit dem Kopf auf Susans
Freundin.
Er stand auf und machte den
beiden die Zimmertür auf. Susan ging hinaus, und der
Wachhund trottete hinterher.
Es dauerte nicht lange bis zum
nächsten Besuch. Mandel hatte gerade genug Zeit, zwei
Telefonanrufe zu beantworten. Die Besucherin war eine schlanke
junge Frau, Mitte oder Ende Zwanzig, und sie war dezent gekleidet.
"Kommen Sie herein,"
sagte Mandel.
"Ich heiße Luz Martinez,"
sagte sie.
"Georg Mandel," sagte
Mandel.
"Nett, Sie zu treffen."
sagte Fräulein Martinez.
"Ganz meinerseits,"
sagte Mandel. "Nehmen Sie Platz." Mandel rückte
einen Stuhl zurecht.
"Danke," sagte Fräulein
Martinez und setzte sich.
Mandel lud am Telefon eine weitere
Frau ein, sich persönlich vorzustellen.
"Kommen viele?" fragte
Fräulein Martinez.
"Ja, sehr viele,"
sagte Mandel, der auf dem zweiten Stuhl Platz genommen hatte.
"Die Auswahl fällt schwer. Es sind sehr viele."
"Dann habe ich sicher keine
Chance," sagte Fräulein Martinez.
"Sagen Sie das nicht,"
sagte Mandel. "Sie sehen sehr gut aus."
Mandel faßte Fräulein
Martinez bei der Hand. Schlimmstenfalls würde sie wegrennen.
Es stand für ihn nicht viel auf dem Spiel, und wenn diesmal
nichts draus würde, dann würde er eben auf die nächste
warten.
Fräulein Martinez hatte
zierliche Hände, an denen sie kleine Ringe trug. Sie
ließ es sich gefallen, daß er ihre Hand in die
seine nahm. Er streichelte ihre Pfote und rückte näher.
"Ich glaube ihnen nicht,
daß Sie ernste Heiratsabsichten haben," sagte Fräulein
Martinez, "aber das macht nichts."
"Hab ich schon. Warum glauben
Sie das nicht?" fragte Mandel.
"Es gibt zu viele Mädchen
in Manila, und alle wollen Ausländer."
"Ja, warum denn?"
"Die Ausländer sind
reich"
"Nur deshalb?"
"Ausländer haben auch
einen höheren Status," sagte Fräulein Martinez,
die sehr gepflegt war, "aber die Ausländer meinen
es nicht ernst."
"Ich schon," sagte
Mandel.
"Das sagen alle."
"Ich meine es wirklich
so."
"Das sagen auch alle. Aber
wir werden ja sehen."
Dann küßte Mandel
Fräulein Martinez, und sie ließ es geschehen.
"Ich liebe dich,"
sagte Mandel.
"Du liebst mich nicht,
aber ich dich," sagte Fräulein Martinez.
Das Telefon klingelte, und Mandel
nahm ab. Er wartete bis es geklickt hatte und sagte: "Ja
bitte."
"Ich rufe wegen der Zeitungsanzeige
an," sagte eine Frauenstimme.
"Es tut mir leid, Sie kommen
zu spät," sagte Mandel.
Es waren so viele, die anriefen,
daß er dem Fräulein Martinez zum Gefallen gerne
eine opfern konnte.
Er wartete keine Antwort ab,
sondern legte gleich auf, und dann ging er zum Fräulein
Martinez und nahm sie bei der Hand und legte sie aufs Bett.
Sie war willig und hatte kleine Brüste. Es war ein ganz
konventioneller Geschlechtsverkehr, und dann rauchte Mandel
eine Zigarette.
"Ich habe heute nachmittag
einiges zu erledigen," sagte Mandel
"Was?" fragte Fräulein
Martinez. "Aspirantinnen empfangen?"
"Nein," sagte Mandel,
"außer Haus."
Fräulein Martinez hüpfte
ins Bad. Als sie zurückkam und sich ankleidete, fragte
sie: "Sehen wir uns wieder?"
"Natürlich,"
sagte Mandel.
"Komm morgen nachmittag
wieder vorbei."
"Nachmittags bin ich im
Büro."
"Dann eben abends."
"Bist du zu Hause?"
"Ruf vorher an."
Fräulein Martinez ging,
ohne aufgefordert werden zu müssen.
Mandel verließ das Zimmer
ein paar Minuten später. Er gab der Telefonistin die
versprochenen 20 Peso. Sie hatte viele Pickel im Gesicht,
und Mandel dachte, daß er nicht mit ihr schlafen würde,
selbst wenn sie es ihm anbieten würde.
Dann ging er zum Essen. Das
war die Erledigung außer Haus.
Als er zurückkam, erwarteten
ihn drei Mädchen an der Rezeption. Er nahm sie mit aufs
Zimmer, und dort stellte sich heraus, daß nur zwei Interessentinnen
waren, und das dritte Mädchen die Freundin einer der
beiden anderen.
Es war die Schönere, die
allein gekommen war, und es fiel Mandel deshalb leicht die
anderen beiden wegzuschicken. Er war wenig rücksichtsvoll,
und das war das erste Anzeichen vom Übermut.
"Wie heißt du denn?"
fragte er die, die übrig geblieben war.
"Christina."
"Und wie alt bist du?"
"Zweiundzwanzig."
Mandel bot ihr Platz auf einem
Stuhl an und nahm selbst auf dem anderen Platz.
Chistina war ein mädchenhafter
Typ, ein bißchen pummelig, mit Schultern, die nicht
schwächlich wirkten.
"Was ist denn deine Arbeit?"
fragte Mandel.
"Im Restaurant," sagte
Christina.
"Ach ja," sagte Mandel.
"Und du kommst aus Manila?"
"Nein, Cavite."
"Bist du sicher, daß
du heiraten willst?"
"Nur einen Ausländer."
"Das ist aber eine ernsthafte
Sache, und die Konkurrenz ist groß. Du mußt verstehen,
daß alle Bewerberinnen sehr genau geprüft werden."
"Ja," sagte Christina,
"verstehe ich."
"Zunächst kommt es
auf die Schönheit an."
Einen Moment schaute Mandel
sie fragend an. Als ihre Augen sich trafen, senkte Christina
den Kopf.
"Ja, dann steh bitte auf,
damit ich dich anschauen kann."
Christina stand auf. Sie stand
vor Mandel, der auf seinem Stuhl saß, und der langsam
ihre Bluse aufknöpfte.
Christina faßte ihn an
den Handgelenken, aber es war schwacher Widerstand, und Mandel
sagte: "Es muß sein. Du meinst es doch ernst, oder?
Wenn du es ernst meinst, muß es sein."
Dann stand Christina vor ihm,
mit festen Brüsten, die er mit seinen Händen umfaßte.
"Du wirst verstehen,"
sagte Mandel, "daß ich nur eine Jungfrau heiraten
kann. Du hast doch noch nichts mit einem anderen Mann gehabt."
"Nein, nichts."
"Kann ich dir das glauben?"
Christina war hilflos.
"Du mußt verstehen,
daß ich das vor einer so ernsten Sache wie einer Heirat
prüfen muß."
Christina antwortete nicht.
Sie ließ es zunächst geschehen, das Mandels Hand
ihre festen Schenkel hochschlich und ihre Scham befühlte,
doch dann brach sie in Tränen aus und rannte aus dem
Zimmer.
Mandel beendete seinen Akt allein.
Wozu brauchte man schon die Mädchen, wenn man Phantasie
hatte.
Es war der Überdruß,
der nach dem Überfluß kommt.
Mandel nahm den Telefonhörer
ab, und er wartete, bis sich die Telefonistin meldete, und
dann sagte er: "Ich bin für heute nicht mehr zu
sprechen. Sagen Sie den Damen, sie sollen morgen oder übermorgen
wieder anrufen."
Er ging Kaffee trinken, aber
er mied das Diamond.
Georg Mandel's Heiratsanzeige
Am Mittwoch, dem 25, Mai 1983
erschien in der Manila Post eine Kleinanzeige mit dem
Text: "Schweizer Ingenieur, 52, sucht für spätere
Heirat Bekanntschaft mit gut aussehender Filipina, nicht über
25. Tel: Mnl 59-09-81, Zi. 407."