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Es war Mittagszeit, und sie
saßen im El Refresco, einem lauten Imbißrestaurant
in der Manalili Street. Sie aßen Hamburger auf Toastbrot.
Am Fleisch war zuviel Knoblauch; im Radio lief nichts als
Werbung. Es war in Cebu kein einfaches Restaurant zu finden,
indem nicht den ganzen Tag das Radio plärrte.
"Ein nutzloses Unterfangen,"
sagte Dewey. "Du kannst gar nicht anders, als Egoist
zu sein."
"Wenn ein Mädchen
nett ist, habe ich Gefühle für sie, auch wenn sie
eine Prostituierte ist," sagte Suhrer.
"Das ist normal. Und das
heißt noch lange nicht, daß du deshalb kein Egoist
bist. Gefühle sind etwas Schönes; ich leiste sie
mir auch gerne - mir zuliebe, nicht anderen zuliebe."
"So laß ich mich
nicht einordnen. Ich hab Gefühle anderen zuliebe. Wenn
ich Gefühle habe, für eine, dann kommt es mir auch
aufs Geld nicht an."
"Du läßt dir
eben die Gefühle etwas kosten. Solche Leute gibt es auch."
Es waren fünf Kellner in
dem Restaurant, und nicht mehr als zwanzig Gäste. Trotzdem
mußte Suhrer dreimal rufen, bevor er eine neue Bestellung
aufgeben konnte. Die Kellner waren nur mit Blödsinn beschäftigt.
"Du kommst mit deiner Theorie,
daß alles Egoismus ist, nicht durch. Nehmen wir mal
die alten Nutten. Die bekennen sich auch offen zu ihrem Egoismus.
Denen geht es ganz hart nur ums Geld, und das lassen sie dich
auch spüren."
"Die wissen eben, worauf
es ankommt."
"Die wissen gar nichts.
Die sind nur verdorben."
"Oder klüger."
"Eben nicht. Ich hab ja
schon gesagt: wenn ich für eine Gefühle habe, dann
kommt es mir aufs Geld nicht an. Der gebe ich gerne mehr als
üblich. Einer alten Nutte dagegen zahle ich wirklich
nur, was sein muß. Da kannst du doch nicht sagen, die
sei klüger - sie bekommt ja viel weniger von mir."
"Du bist eine Ausnahme,
weil du dir Gefühle etwas kosten läßt. Du
belohnst es, wenn eine unbeholfen ist. Aber vom Durchschnittspublikum
werden die Unbeholfenen nur ausgenützt. Drum hat die
alte Nutte schon recht, wenn sie nicht die Unbeholfene spielt."
"Mit ihrem Egoismus verderben
die sich die Chance, daß jemand auf andere Weise als
egoistisch mit ihnen umgeht. Wer Egoismus sät, wird Egoimus
ernten. Nur wenn eine nett zu mir ist, bin ich nett zu ihr.
Der Kleinen, die ich gestern und vorgestern bei mir hatte,
würde ich wirklich gerne helfen. Vielleicht laß
ich ihr die Zähne reparieren. Die hat so schlechte Zähne,"
sagte Suhrer, und er schob sich die Brille zurecht, die ihm
auf der verschwitzten Nase nach vorne gerutscht war.
"Ja, mach das; kauf ihr
neue Zähne, damit sie mehr Kunden kriegt und ihr Geschäft
schneller versteht," sagte Dewey.
"Vielleicht hol ich die
auch ganz raus, ich hab wirklich Mitleid mit ihr."
"Mitleid ist oberfauler
Egoismus. Du verkonsumierst die Kleine wie ein Medikament.
Dein Mitleid ist wie eine Pille, mit der du dein Gewissen
beruhigst. Du tust so, als würdest du der Kleinen helfen.
Aber in Wirklichkeit denkst du nur an dich."
"Du argumentierst heimtückisch,"
sagte Suhrer.
"Du kannst gar nicht anders
als zuerst an dich zu denken - du kannst es nicht, weil du
nicht außerhalb deines Kopfes denken kannst."
"Deine Argumentation hinkt.
Denn so, wie du das sagst, gibt es nur Egoismus. Das ist aber
nicht möglich. Ein Begriff kann sich nur aus seinem Gegenteil
bestimmen. Egoismus kann man nur definieren, wenn man ihn
gegen den Nicht-Egoismus abgrenzt. Wenn es Egoismus gibt,
muß es also auch Altruismus geben."
"So ist das nicht. Es gibt
zwar keinen Altruismus, aber Egoismus und Altruismus sind
sowohl als auch denkbar, wie sowohl eine runde als auch eine
flache Erde denkbar ist. Dabei ist der Egoismus wie eine runde
Erde existent, während die flache Erde und der Altruismus
nicht existent sind. - Abgesehen davon, sind die begrifflichen
Zergliederungen Unsinn. Begriffliche Zergliederungen sind
noch keine Tiefblicke."
Ein Menschenfreund
"Ich versuche jedenfalls,
nicht nur ein eiskalter Egoist zu sein," sagte Suhrer.