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Ein paar Polizisten, alle ohne
Uniform, saßen unter dem Vordach des Pavillons auf den
flachen Stufen. Sie rauchten Zigaretten, mehr schienen sie
nicht zu tun haben. Die Wache war offen für Besucher.
Als Dewey an diesem Spätnachmittag
in den Pavillon trat, riefen ihm gleich mehrere Stimmen zu:
"Kauf mich frei." Mädchen drängten sich
an eine Gitterwand. Niemand hinderte Dewey daran, zu ihnen
zu gehen. Er steckte Bonbons durch das Gitter. Ein paar Mädchen
kannte er; es waren etliche alte Nutten darunter.
Durch einen schmalen Fensterstreifen
unter der Dachkante schien die Abendsonne in die Gemeinschaftszelle.
Unter dem Fensterstreifen standen Kajütenbetten. Der
Abtritt war nur durch eine Stellwand abgetrennt.
Die meisten Mädchen kamen
ans Gitter vor, auch solche, die Dewey nicht kannte. Immer
wieder forderten sie Dewey auf: "Kauf mich frei."
Ein paar bettelten: Hol mich raus; ich hab seit zwei Tagen
nichts mehr gegessen.
Unter denen, die nicht am Gitter
standen, war eine junge schwangere Frau. Dewey hatte sie vor
ein paar Wochen mehrmals im Rizal-Park gesehen, aber
er hatte nie mit ihr gesprochen. Sie saß rechts auf
einem unteren Bett und hatte sich an die Wand gelehnt. Sie
trug einen zu großen und für die Philippinen viel
zu warmen hellblauen Pullover, der offenbar ihren Bauch verbergen
sollte. Er war aber nicht mehr zu verbergen.
Dewey nickte ihr zu. Sie tippte
sich mit dem Zeigefinger auf die Brust und zog fragend die
Augenbrauen hoch. Dewey winkte sie mit einer knappen Handbewegung
zum Gitter. "Ich kauf dich frei."
"Ja."
"Wie heißt du?"
"Leila."
"Wie noch?"
"Mojado."
"Warte, hm."
Dewey ging zu den Schreibtischen.
Ein paar Männer saßen beisammen. Keiner trug eine
Uniform.
Dewey sagte: "Ich möchte
meine Freundin freikaufen."
Einer, der auf einer Tischkante
saß, sagte: "Ihre Freundin, wie heißt die
denn?"
"Mojado, Leila - es ist
die Schwangere."
"Sind Sie der Vater?"
"Nein."
"Aber es ist Ihre Freundin?"
"Ja."
Der Polizist, den Dewey angesprochen
hatte, sprach etwas zu einem jüngeren Polizisten, der
neben ihm stand, und deutete mit dem Kinn auf einen anderen
Schreibtisch. Der Jüngere suchte in den Schubladen des
Schreibtisches, auf den gedeutet worden war, und als er nichts
fand, rief ihm der andere von der Tischkante weitere Anweisungen
zu. Schließlich kehrte der Jüngere mit einem hektographierten
Formular zurück, auf dem man fast nichts lesen konnte.
Der auf der Tischkante fragte
nach einem Kugelschreiber, den er bekam, und begann dann,
ohne sich förmlicher hinzusetzen, mit dem Ausfüllen.
"Lydia..."
"Nein, Leila," unterbrach
ihn Dewey.
"Leila Monado."
Sie hieß Mojado, dachte
Dewey, aber wen interessierte das schon. Während der
Polizist das Formular ausfüllte, gab er von der Tischkante
herunter dem Jüngeren Anweisung, das Mädchen aus
der Zelle zu holen.
"Hundertfünfzig Peso,"
sagte der Polizist.
Dewey bezahlte. Leila stand
jetzt neben ihm. Sie reichte ihm nicht einmal bis an die Schultern.
"Das nächste Mal lassen
Sie Ihre Freundin nicht nachts allein herumspazieren,"
sagte der Polizist.
"Ich werd aufpassen,"
sagte Dewey beim Hinausgehen.
Bis zur Straße blieb Leila
wortlos hinter ihm. Dann fragte sie: "In welchem Hotel
wohnst du?"
"Gleich dort drüben,
wir können laufen."
"Gehen wir essen?"
fragte sie.
"Später."
Im Hotel, als sie schon auf
dem Bett lagen, fragte Dewey: "In welchem Monat bist
du?"
"Im achten."
Ihr Bauch war wie eine Kugel;
die Haut war straff gespannt. Auch wenn sie auf dem Rücken
lag, versank ihr Busen nicht in der Achselhöhle. Die
Brustwarzen waren so groß wie das oberste Glied eines
Daumens. Zwischen den Beinen war sie so behaart wie sonst
nur Europäerinnen, und als Dewey in sie eindrang, war
sie so warm als hätte sie Fieber.
Die Schwangere
Das Polizeirevier 5 war ein
Pavillon zwischen dem Gebäude der philippinischen Caltex
und dem Komplex der Weltgesundheitsorganisation. Auf der
anderen Seiten der United Nations Avenue lag das Hilton.
Der Pavillon war von der Straße zurückgesetzt,
und der Vorgarten war sehr gepflegt. Mitten in einem Blumenbeet
war ein japanisches Maschinengewehr aus dem zweiten Weltkrieg
aufgebaut. Auf einem Eisenstab dahinter hing in etwa einem
Meter Höhe der Helm des Soldaten, der das Gewehr bedient
hatte. Es wirkte wie eine Szene aus einer Kriegskomödie.