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Die Schwangere

Das Polizeirevier 5 war ein Pavillon zwischen dem Gebäude der philippinischen Caltex und dem Komplex der Weltgesundheitsorganisation. Auf der anderen Seiten der United Nations Avenue lag das Hilton. Der Pavillon war von der Straße zurückgesetzt, und der Vorgarten war sehr gepflegt. Mitten in einem Blumenbeet war ein japanisches Maschinengewehr aus dem zweiten Weltkrieg aufgebaut. Auf einem Eisenstab dahinter hing in etwa einem Meter Höhe der Helm des Soldaten, der das Gewehr bedient hatte. Es wirkte wie eine Szene aus einer Kriegskomödie.

Ein paar Polizisten, alle ohne Uniform, saßen unter dem Vordach des Pavillons auf den flachen Stufen. Sie rauchten Zigaretten, mehr schienen sie nicht zu tun haben. Die Wache war offen für Besucher.

Als Dewey an diesem Spätnachmittag in den Pavillon trat, riefen ihm gleich mehrere Stimmen zu: "Kauf mich frei." Mädchen drängten sich an eine Gitterwand. Niemand hinderte Dewey daran, zu ihnen zu gehen. Er steckte Bonbons durch das Gitter. Ein paar Mädchen kannte er; es waren etliche alte Nutten darunter.

Durch einen schmalen Fensterstreifen unter der Dachkante schien die Abendsonne in die Gemeinschaftszelle. Unter dem Fensterstreifen standen Kajütenbetten. Der Abtritt war nur durch eine Stellwand abgetrennt.

Die meisten Mädchen kamen ans Gitter vor, auch solche, die Dewey nicht kannte. Immer wieder forderten sie Dewey auf: "Kauf mich frei." Ein paar bettelten: Hol mich raus; ich hab seit zwei Tagen nichts mehr gegessen.

Unter denen, die nicht am Gitter standen, war eine junge schwangere Frau. Dewey hatte sie vor ein paar Wochen mehrmals im Rizal-Park gesehen, aber er hatte nie mit ihr gesprochen. Sie saß rechts auf einem unteren Bett und hatte sich an die Wand gelehnt. Sie trug einen zu großen und für die Philippinen viel zu warmen hellblauen Pullover, der offenbar ihren Bauch verbergen sollte. Er war aber nicht mehr zu verbergen.

Dewey nickte ihr zu. Sie tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Brust und zog fragend die Augenbrauen hoch. Dewey winkte sie mit einer knappen Handbewegung zum Gitter. "Ich kauf dich frei."

"Ja."

"Wie heißt du?"

"Leila."

"Wie noch?"

"Mojado."

"Warte, hm."

Dewey ging zu den Schreibtischen. Ein paar Männer saßen beisammen. Keiner trug eine Uniform.

Dewey sagte: "Ich möchte meine Freundin freikaufen."

Einer, der auf einer Tischkante saß, sagte: "Ihre Freundin, wie heißt die denn?"

"Mojado, Leila - es ist die Schwangere."

"Sind Sie der Vater?"

"Nein."

"Aber es ist Ihre Freundin?"

"Ja."

Der Polizist, den Dewey angesprochen hatte, sprach etwas zu einem jüngeren Polizisten, der neben ihm stand, und deutete mit dem Kinn auf einen anderen Schreibtisch. Der Jüngere suchte in den Schubladen des Schreibtisches, auf den gedeutet worden war, und als er nichts fand, rief ihm der andere von der Tischkante weitere Anweisungen zu. Schließlich kehrte der Jüngere mit einem hektographierten Formular zurück, auf dem man fast nichts lesen konnte.

Der auf der Tischkante fragte nach einem Kugelschreiber, den er bekam, und begann dann, ohne sich förmlicher hinzusetzen, mit dem Ausfüllen. "Lydia..."

"Nein, Leila," unterbrach ihn Dewey.

"Leila Monado."

Sie hieß Mojado, dachte Dewey, aber wen interessierte das schon. Während der Polizist das Formular ausfüllte, gab er von der Tischkante herunter dem Jüngeren Anweisung, das Mädchen aus der Zelle zu holen.

"Hundertfünfzig Peso," sagte der Polizist.

Dewey bezahlte. Leila stand jetzt neben ihm. Sie reichte ihm nicht einmal bis an die Schultern.

"Das nächste Mal lassen Sie Ihre Freundin nicht nachts allein herumspazieren," sagte der Polizist.

"Ich werd aufpassen," sagte Dewey beim Hinausgehen.

Bis zur Straße blieb Leila wortlos hinter ihm. Dann fragte sie: "In welchem Hotel wohnst du?"

"Gleich dort drüben, wir können laufen."

"Gehen wir essen?" fragte sie.

"Später."

Im Hotel, als sie schon auf dem Bett lagen, fragte Dewey: "In welchem Monat bist du?"

"Im achten."

Ihr Bauch war wie eine Kugel; die Haut war straff gespannt. Auch wenn sie auf dem Rücken lag, versank ihr Busen nicht in der Achselhöhle. Die Brustwarzen waren so groß wie das oberste Glied eines Daumens. Zwischen den Beinen war sie so behaart wie sonst nur Europäerinnen, und als Dewey in sie eindrang, war sie so warm als hätte sie Fieber.